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August Wilhelm Schlegel
Aus einem ungedruckten Roman
I.
Die Jugend flieht, die Hofnung ist zerronnen,
Des Lebens Blüthen fallen welkend ab,
Und unerreichbar fern sind meine Wonnen,
Und stumm und einsam bin ich, wie ein Grab.
Im ganzen weiten Reich der Wesen
Hast du allein die Zaubermacht,
Mich von dem Gram zu lösen,
Der jeden Trost verlacht.
Und ach! ich muß vor deinem Willen schweigen;
Was er verhängt, wird hoch von mir geehrt.
Was hülf’ es auch zu reden? – Ihn zu beugen?
So kühner Wahn hat nimmer mich bethört.
Du kennst das höchste Ziel des Lebens,
Und zeichnest deine Bahn dir vor.
Mein Flehen schlug vergebens
Voll Inbrunst an dein Ohr.
Zwar gingest du nicht taub vor mir vorüber;
Du bist ein Weib, und Weichheit ist dein Stolz.
Mein Busen bebte mir in jeder Fiber,
Als nun um mich dein Blick in Thränen schmolz.
Den süßen Thau der holden Augen
Verschlang mein Herz, wie dürres Land.
Weh mir! ihn einzusaugen,
Das nährte nur den Brand.
Ich kämpfte mich empor und wollte flüchten;
Ich stieß die dargebotne Hand zurück.
»O zürne mir, sonst wirst du mich vernichten!
«Mich peinigt dieser göttlich milde Blick.
»War’s Frevel, daß ich so entglühte?
»O! du bist edel! Gieb mich los!
»Laß ab mit deiner Güte!
»Wo nicht: sei minder groß!«
So rief ich aus. Was half mein Widerstreben?
Ich fühlte mich von unsichtbarer Kraft,
Vom Schicksal selbst in deine Hand gegeben,
Die, was sie will, aus meinem Herzen schafft.
Ich klage nicht; ich will es tragen.
Dank dir! Mich adelt dieses Leid.
Gestählt durch mein Entsagen,
Besteh’ ich jeden Streit,
Der Jugend Flur voll heller Gaukelszenen,
Der Träum’ und Wünsche lächelndes Revier,
Wohin ich sonst mit hofnungsvollem Sehnen
Mich oft verirrt, liegt öde hinter mir.
Gleichgültig steh’ ich im Getümmel,
Das nach Genuß sich drängt; für mich
Wär’ auch der Sel’gen Himmel
Ein Chaos ohne dich.
Das Glück ist arm; ich spotte seiner Gaben.
In mir ist mehr, als es mir bieten kann.
Ich habe das, und werd’ es ewig haben,
Was ich von dir durch heiße Qual gewann.
Dein Bild hab’ ich dir abgedrungen,
Und in mein ganzes Selbst verwebt,
Mit Liebeskraft umschlungen,
Durch Liebeshauch belebt.
Mir hallen in der Seele tiefsten Tiefen
Die Melodieen deiner Worte nach;
Da werden tausend Kräfte, welche schliefen,
Bei dem geheimnißvollen Rufe wach.
Erschaffen wird in mir ein Wille,
Zu hohen Thaten stark und frei,
Und deiner Tugend Fülle
Gebiert mein Inn’res neu.
Ich kann’s nicht bergen, nicht mein Herz belügen,
Und träfe mich auch dein gerechter Spott;
Dich zu erreichen, dich zu überfliegen,
In dem Gedanken schwärm’ ich mich zum Gott.
Du kannst nicht diesen Trotz verdammen,
Und siegt’ ich auch, dein wär der Ruhm!
Ich stahl ja diese Flammen
Aus deinem Heiligthum.
Doch sollt’ ich nie es fesseln und umschlingen,
Das überirdisch lockende Phantom;
Wär’ ich verdammt, umsonst dir nachzuringen,
Gewirbelt von des Wankelmuthes Strom;
So möcht’ ich meinen Geist verhauchen,
Den Hasser dieses Sonnenlichts,
Und mich hinunter tauchen
In’s öde, kalte Nichts.
II.
O! ich weiß, beschränkt und nichtig
Ist des Menschen Seyn und Thun;
Und wir schweifen in der Irre,
Und wir finden im Gewirre
Keine Stät’, um auszuruhn.
Traum nur bist auch du, und Schatten,
Traum vom Schatten, süßes Weib!
Deine Leiden, deine Wonnen,
Wasserblasen gleich zerronnen,
Sind des Schicksals Zeitvertreib.
Aber sprich: sind unsre Herzen
Auch der Zeit, des Zufalls Spott?
Schwillt mein Busen nicht mit Beben
Mir von selbstgeschaffnem Leben?
Bin ich mir nicht selbst ein Gott?
Freilich wär’s ein Spiel den Göttern,
Dieß, was allen Gram mir lohnt,
Was mich trotzen heißt den Wettern,
Mit dem Herzen zu zerschmettern,
Wo es stolz und muthig wohnt.
Doch so lang’ es pocht, soll ringen
Nach dem Höchsten jeder Schlag.
Meinen heil’gen Kranz entblättern,
Meine Göttin mir entgöttern:
Welche Macht, die das vermag?
Sind dieß Wirbel rascher Flammen?
Taumel wilder Leidenschaft?
Nein, ich fühl’ in diesem Streben
Inniges, geheimes Leben,
Seelenwürd’ und Licht und Kraft.
Könnte ja die Glut erlöschen,
Die auf deinem Altar flammt;
Göttin! o! so laß mich sterben,
Laß mich süßen Tod erwerben,
Eh das Schicksal mich verdammt,
Mich verdammt zu ödem Leben,
Das dem Tode langsam weicht,
Freudenleer, in dumpfem Kummer,
Während sich des Grabes Schlummer
Kalt durch Mark und Nerven schleicht.
Laß vom Daseyn mich genesen,
Sanftes Weib! an deiner Brust.
Wuth und Wonne wird mein Wesen
Auf im letzten Kusse lösen.
Ha! willkommen, Todeslust!