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Ludwig Tieck
Kunst und Liebe
Wandeln nicht viele Geister schon im Orkus,
Weil der Körper noch träge hier sich quälet,
Sonn’ und Mond sie wechseln und gehn vorüber,
Sieh, er bemerkt’s nicht.
Wunderlich stehn sie da im Frühlingslichte,
Umgetrieben von tosenden Weltgeschäften;
Keinen Ton der singenden Schöpfung in ihr
Enges Gefängniß!
Gütige Gottheit! höre, was ich bitte,
Noch thun rauschende Wälder, bunte Blumen,
Nachtigallen, Lerchen, das Frühlingsleben
Mit mir befreundet;
Thränen bezahl’ ich noch den großen Meistern,
Ihre Schöpfung entrückt mir weltlich Treiben,
Daß ich gleich dem Trunkenen frölich taumle
Sonnengeblendet,
Ach! und in schönerm Wahnsinn fliegt mir selber
Kunst mit allen den Meistern traumgleich abwärts
Und im einsam glänzenden Aether bleibt nur
Ich und die Liebe,
Gönne mir noch dies schöne Jugendleben;
Laß zum nüchternen Hohn mich nie erwachen,
Daß ich ernst und weise dann auf mich selber
Lächle voll Mitleid.
Wird die Natur mir fremd und denk’ ich nicht mehr
Zitternd, Rafael, klingt ihr süßer Nahme
Nicht im Herzen, schnell o ihr gütgen Parzen
Reißet den Faden!