Library / Literary Works |
Ludwig Tieck
Herbstlied
Feldeinwärts flog ein Vögelein
Und sang im muntern Sonnenschein
Mit süßen wunderbaren Ton:
Ade! ich fliege nun davon,
Weit, weit,
Reis’ ich noch heut.
Ich horchte auf den Feldgesang,
Mir ward so wohl und doch so bang,
Mit frohem Schmerz, mit trüber Lust
Stieg wechselnd bald und sank die Brust,
Herz, Herz,
Brichst du vor Wonn’ oder Schmerz?
Doch als ich Blätter fallen sah,
Da sagt’ ich: ach! der Herbst ist da,
Der Sommergast, die Schwalbe zieht,
Vielleicht so Lieb’ und Sehnsucht flieht
Weit, weit,
Rasch mit der Zeit.
Doch rückwärts kam der Sonnenschein,
Dicht zu mir drauf das Vögelein,
Es sah mein thränend Angesicht
Und sang: Die Liebe wintert nicht,
Nein! nein!
Ist und bleibt Frühlingsschein!